Interview mit Peter Brötzmann

„Was heißt Krawall?!“

Die Free Jazz – Legende Peter Brötzmann kommt nach Braunschweig

Einen dicken Fisch hat der Braunschweiger Galerist Hans Gerd Hahn da für seine Veranstaltungsreihe „Freies Improvisieren“ an Land gezogen. Dicker geht es gar nicht! Der Saxofonist Peter Brötzmann, der Übervater des Free Jazz, wird zusammen mit Wolfgang Schmidtke, auch ein Holzbläser, am Samstag, dem 11. Juni im Braunschweiger Lindenhof ein Gastspiel geben. Er ist das Enfant terrible des Jazz. Für die einen ein Jazz-Punk, für die anderen die Verkörperung der Avantgarde. An ihm scheiden sich die Geister. Ein kantiger Typ mit klarer Ansprache. Unser Mitarbeiter Klaus Gohlke befragte ihn zu den Hintergründen und der Einordnung seiner Musik.

Sie gelten als der Regelverletzer in der Musik schlechthin, als der Vater des Free-Jazz. Einverstanden?

Solche Zuschreibungen gefallen mir überhaupt nicht. Ich war das ja nicht allein. Da waren noch Gunter Hampel, Peter Kowald, Alex Schlippenbach usw. Allein geht das gar nicht. Man nennt das Free-Jazz, man braucht eben eine Bezeichnung.

Warum waren Sie so auf Krawall gebürstet?

Was heißt Krawall? In den früher 60er Jahren hatte ich mein Kunststudium fertig. Ich assistierte bei dem wunderbaren koreanischen Künstler Nam Jun Paik, später bekannt für seine Videoinstallationen. Der sagte zu mir: „Du kannst alle Materialien für deine Kunst benutzen. Du musst eine Idee haben, das umsetzen wollen!“ Ich hatte keinen Nerv mehr für formale Regeln in der Musik. Akkordfortschreibungen, Skalen, Melodien und dieses ganze Zeugs. Ich wollte mich nicht länger unterwerfen, ich wollte mich in und mit der Musik ausdrücken, Fragen provozieren.

Aber die Reaktionen? Sie spalten doch das Publikum?

Die einen sagten, wir wären Scharlatane. Für andere war es ein Aus-, ein Aufbruch. Aber Deutschland war schon immer etwas schwierig. In Polen, Holland, Schweden, England, den USA, Japan, auch Afrika war man interessiert. 90 Prozent meiner Auftritte finden im Ausland statt. Die sind toleranter. Die wollen nicht immer dasselbe hören, vor allem: die hören zu und kommen nicht mit Hörschablonen.

Sie gelten immer noch als Jazz-Avantgardist.

Ja, das ist doch paradox. Ich bin 75 und Avantgardist. Das müssten doch die 25-Jährigen von heute sein! Es gibt eine Reihe guter Virtuosen, viele gut ausgebildete Musiker, aber eigentlich zu wenig gute Musik. Die fragen sich, wie sie groß rauskommen können. Ich muss doch aber erst einmal wissen, wer ich bin, was mir die Musik bedeutet.

Sie wirken im Konzert oftmals wie ein Kessel unter Hochdruck. Die Musik bricht aus Ihnen hochenergetisch heraus. Denken Sie beim Spielen noch?

Nein. Denken stört nur. Es muss fließen. Ich mag die körperliche Seite meines Spielens, die intensive Kommunikation mit meinen Mitspielern. Nach dem Spielen bist du fix und fertig, der Kopf ist leer. Aber – wenn es zum intensiven Austausch kommt – dann hat sich das alles gelohnt.

Was wünschen Sie sich für das Braunschweiger Konzert?

Dass die Leute sich herausreißen, verstören, begeistern lassen wollen. Kurz. Ein schönes Konzert.

Peter Brötzmann/ Wolfgang Schmidtke spielen am 11.6. 2016 ab 20 Uhr im Theatersaal des Lindenhofs in Braunschweig. Eintritt Abendkasse 15 Euro.

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