Interview mit Dave Holland

Englishman in New York: Starbassist Dave Holland im Interview

Außergewöhnliches erwartet die Braunschweiger Jazzfreunde: Der 69jährige Ex-Miles-Davis-Bassist Dave Holland, zweifelsfrei einer der bedeutendsten und erfolgreichsten Bassisten der Welt, wird am Sonntag, dem 13. März 2016 im Braunschweiger LOT-Theater mit seinem aktuellen Trio gastieren. Aus diesem Anlass sprach Klaus Gohlke vorab telefonisch mit dem in New York lebenden Jazzmusiker.

Hi, Dave, im Frühling gehst du auf Europa-Tour. Was treibt dich?

Ich hatte in der letzten Zeit verschiedene Projekte hier laufen. Darunter das Trio mit Kevin Eubanks an der Gitarre und mit Obed Calvaire am Schlagzeug. Wir spielten in Russland, und das war so eine gute Zusammenarbeit, dass ich gern wieder mit ihnen arbeiten wollte. Die Reiseumstände sind natürlich eine Herausforderung. Das Fahren, Gepäckprobleme, die Hotels – aber wenn man dann ein Publikum begeistern kann, dann ist das alles nachrangig.

Was ist das Besondere an diesem Gitarren-Trio? Ist es eine Erinnerung an “Gateway”, dein erstes berühmtes-Trio mit Jack DeJohnette und John Abercrombie Mitte der 70er Jahre?

Nein, es ist kein Blick zurück, kein Revival. Die Musiker und die Musik damals, das war alles einzigartig. Aber wir haben andere Zeiten, und Kevin und Calvaire sind wiederum ganz eigenständige Musiker mit ihren sehr spezifischen musikalischen Vorstellungen und Fähigkeiten. Das Interessante am Trio ist ja die besondere Intensität des musikalischen Gesprächs. Und dann gefällt mir der Sound von Gitarre und Bass im Zusammenspiel. Dazu muss ich noch sagen, dass Kevin Eubanks einen ganz eigenen Klang auf seinem Instrument gefunden hat, was ja nicht einfach ist. Und Calvaire ist ein außergewöhnlich feinfühliger Rhythmiker.

Dave, du spieltest 1968 im Alter von gerade mal 20 Jahren im berühmten Londoner Jazzclub, dem Ronnie Scott’s. Da saß Miles Davis und engagierte dich vom Fleck weg. Mit einem Male warst du Teil seiner Supergroup u.a. mit Herbie Hancock, Tony Williams, Keith Jarrett, Chick Corea. War das das Größte in deinem Leben?

Es war eine riesige Sache, und die Zusammenarbeit war außerordentlich bedeutsam für mich. Aber – man kann das Leben nicht auf eine Sache reduzieren. Es waren zwei Jahre. Viele wunderbare Musiker und Konzerterlebnisse erlebte ich seitdem. Man entwickelt sich ja weiter.

Du spielst den großen akustischen Bass. Warum nicht den leichter zu handhabenden E-Bass?

Oh, ich spiele auch Bass-Gitarre. Ich hab den Bass nicht wegen seiner Größe und seines Gewichts ausgewählt (lacht). Nein. Ich habe, als ich 15 Jahre alt war, den Oscar Peterson-Bassisten Ray Brown gehört. Der Klang, den er auf diesem Instrument erzeugte, hat mich umgeworfen. Es war unglaublich. Liebe auf den ersten Blick oder aufs erste Hören. Auch Leroi Vinnegar war so ein Klangzauberer. Es ist der Klang dieses Instruments, der mich begeistert. Also Platz 1: Akustik-Bass, Platz 2: Bass-Gitarre, Platz 3: Cello.

Du spielst nun schon lange Jazz. Siehst du eine Entwicklung des Jazz, eine bestimmte Richtung?

Es gibt eine Menge Richtungen, nicht die eine. Es herrscht eine Art Individualisierung vor. Traditionen werden neu interpretiert. Man expandiert in andere Musik-Kulturen und –in andere Traditionen hinein. Eine Art Inklusion. Die Sprache der Musik hat sich ungemein erweitert. Wenn ich bei meiner Lehrtätigkeit sehe, welche Möglichkeiten die StudentInnen über die neuen Medien haben, sich Stile, Material, Techniken anzueignen, kann ich nur staunen. Es ist enorm, was sie alles in kurzer Zeit aufnehmen können. Es gab Zeiten, da waren bestimmte Stile dominant. Heutzutage aber nicht. Man hat dadurch viel Raum für Experimente und Annäherungen, für Erweiterungen der Ausdrucksmöglichkeiten Ich selbst habe mich mit Flamenco-Musik befasst, mit nordafrikanischen Oud-Spielern gearbeitet, mit Zakir Hussain, dem indischen Tabla-Virtuosen, gespielt. Dieses Cross-Over ist eine sehr schöne Sache.

Dave, du bist Jahrgang 1946, in England, Wolverhampton aufgewachsen. Hat dich damals nicht auch die populäre Musik mittschiffs getroffen?

Ja, klar. Ich hörte amerikanische und englische Pop-Musik. Bill Haley, Little Richard, diese ganzen Rock’n’Roller. Auch Ray Charles, Motown. Da hab ich auch in Bands vor Ort mit gespielt. Aber dann kamen – wie gesagt – Ray Brown, Leroi Vinnegar, Charles Mingus und der Jazz.

Du bist seit langen ein “Englishman in New York”. Du kennst den Sting-Song. Aber als „legal alien“ (legaler Einwanderer, Fremdling) fühlst du dich nicht?

(Lacht) Nein, absolut nicht. Ich wollte schon immer nach New York wegen der Musikszene hier. Hier sind auch meine Familie, meine Enkel. Ich wohne außerhalb der Stadt, dem Mid Hudson Valley. Eine wunderbare Gegend. Aber – ich freue mich auf Braunschweig, wir sehen uns hoffentlich.
Das Dave Holland Trio gastiert am Sonntag, dem 13. März 20 Uhr im LOT-Theater in Braunschweig. Karten im üblichen Vorverkauf und Online bzw. an der Abendkasse: www.lot-theater.de