Interview mit Christoph Irniger

Freiheit an langer Leine

Ein Interview mit dem Züricher Saxofonisten Christoph Irniger

Jazz ist improvisierte Musik. Am Freitag, dem 4. 11. 2016 wird eine der renommiertesten Schweizer Jazz-Bands, Christoph Irnigers „Pilgrim“, im Theatersaal des Lindenhofs Braunschweig ein Konzert geben. Und diese Band hat ein ganz eigenes Verständnis vom Improvisieren. Was es damit auf sich hat, erkundete unser Mitarbeiter Klaus Gohlke im Telefonat mit dem Züricher Saxofonisten und Bandleader.

Eure Band nennt sich „Pilgrim“. Das klingt nach Wallfahrt.

Neinnein. Es gibt da keinen religiösen Hintergrund. Das Wort „Pilgrim“ klingt erst einmal schön. Andererseits hat es etwas Mystisches und passt zu unserer Musik. Es steht für das musikalische Reisen, Erkunden. Das Vorstoßen in eine Welt, in der Konstanten sich auflösen. So etwas wie geordnete Freiheit.

Ihr werdet auf dieser Tour unterstützt durch „Pro Helvetia“. Was kann man sich darunter vorstellen?

Pro Helvetia ist so etwas wie das Goethe-Institut, ist also für die kulturelle Präsentation der Schweiz im Ausland zuständig. Sie zahlen die Reisespesen und die PR-Unterstützung.

Kommen wir zu eurer Musik. Du sprachst von „geordneter Freiheit“ beim Musizieren.

Ja, wir spielen nicht Free Jazz. Unsere Jazz-Wurzeln liegen woanders. Etwa bei Wayne Shorter, Keith Jarretts American Quartett und – was die Energie und Dramaturgie des Zusammenspiels betrifft – das 1969er Miles Davis Quintett. Wir spielen also Kompositionen. Aber die muss man ja nicht linear, gradlinig abspielen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten innerhalb des Spiels. Du kannst sehr konkret sein, d.h. vom Blatt spielen. Du kannst das, was an Material vorliegt, aber auch emotional unterschiedlich behandeln. Sehr expressiv oder sehr verhalten-innerlich. Du kannst einzelne Aspekte der Komposition detailliert herausheben, aber auch zeitlich dehnen oder stauchen.

Du hast andernorts davon gesprochen, dass euer Zusammenspiel nach einem Baukastenprinzip abläuft. Das klingt sehr technisch-konstruiert.

Nein, das nicht. Unsere Kompositionen haben eine innere Gliederung, verschiedene Abschnitte, mehrere in sich verbundene „Sätze“. Und die kann man variabel kombinieren. Z.B. Teile in verschiedener Reihenfolge spielen, etwas weglassen. Die Herausforderung ist, etwas Gemeinsames zu entwickeln. Man muss sehr gut aufeinander hören. Das geht nur mit Musikern, die sehr gut spielen können, vor allem aber ein tiefes Verständnis untereinander haben. Es gibt einfach bei dieser Improvisationsweise viele Momente, die nicht planbar sind, aber es gibt Zielpunkte beim Spiel, die man erspürt. Das werdet ihr in Braunschweig erleben.

Christoph Irniger Quintett „Pilgrim“. Freitag, 4. 11. 2016 20 Uhr im Theatersaal des Lindenhofs Braunschweig. Karten an der Abendkasse und en üblichen Vorverkaufsstellen.

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